"Dann können wir in den Himmel wachsen"

Die Sängerin Edith Maria Breuer findet in der Musik und der Architektur des Meißener Doms eine heilende Kraft – und noch mehr 
Text: Andreas Roth // Fotos: Panja Lange

Sie steht im Dom. Und der Dom ist in ihr. »Wo ist meine Säule, meine Kuppel, meine Balance?«, fragt sich die Sängerin Edith Maria Breuer. Sie schaut empor in das Geflecht aus Säulen, Streben und Licht. Was sie sieht, ist Musik. Und etwas Inneres. Etwas Heiliges. 

Die Mezzosopranistin Edith Maria Breuer, die schon der »Carmen« und »Evita« an in- und ausländischen Theatern ihre Stimme lieh und heute im kleinen sächsischen Dorf Pegenau oberhalb der Elbe lebt, hat schon öfter den Klang des Meißener Doms gesucht. Gefunden hat sie noch viel mehr. »Wenn wir singen, sind wir in einer Art wissendem Unwissen unterwegs«, schmunzelt sie. »Der Ton ist schwingend, wir können ihn nicht fassen, aber erleben!« So wie im Grunde alle Dinge des Lebens. 

Dann kann vieles schwanken, nichts ist mehr sicher. Oder man begegnet dem Ungewissen mit Mut und dem Vertrauen einer Singenden, die einen Ton wagt. Edith Maria Breuer fährt mit ihrer Hand die Linien einer der schlanken Pfeiler im Meißener Dom entlang. »Wenn wir dem Boden erlauben, dass er uns trägt wie diese Säule, dann können wir in den Himmel wachsen.« 

Wenn sie singt, dann geht es um Schwingungen. Einen Puls. Jede Musik wurzelt im Schlagen des Herzens, das das Blut durch unsere Adern schickt: Rhythmus und Fluss, sagt sie. »Der Rhythmus findet sich hier im Dom auch in der Reihe der gotischen Säulen. Ohne sie wäre der ganze fließende Bau in Länge und Höhe nicht möglich.« 

Musik und Architektur sind für sie ein Tor zu etwas Heiligem. Durch das sie etwas von dem pulsieren spürt, für das oder den der Begriff Gott nur eine unscharfe Chiffre ist. »Gott ist nichts Fassbares, Statisches – sondern etwas Tausendfarbiges«, sagt Edith Maria Breuer. »Eine Kraft, die bewegt, die ganz macht, in die wir uns durch unsere eigene Schwingung regelrecht einspeisen können.« Eine Kraft, die Verhärtung und Starre löst, auf allen Ebenen. 

Zwei Sätze von Jesus sind ihr wichtig. Der Erste: »Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.« Der Zweite: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« – eine Absage an alle fromme Selbstzerquälung. »Irgendwann wurde mir klar: Der Himmel ist immer schon im Hier und Jetzt da.« 

Als Gesangslehrerin und in Veranstaltungen wie »KLANGraum – RAUMklang« der Evangelischen Akademie begleitet Edith Maria Breuer Menschen auf ihrer Suche. Sie sieht von Angst und Sorgen, Vergangenheit und Zukunft gekrümmte Körper und will sie öffnen für das Jetzt. »Das ist Präsenz. Da finde ich auch Gott.« In solchen Momenten öffnet sich für sie ein innerer Dom. Und das Schwere wird leicht und licht. 

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