Vom Hobbypiloten zum Lebensretter
Martin Raschke ist Mitglied der Drohnenstaffel des ASB-Regionalverbands Dresden. Lange wurden die spinnenähnlichen Flugroboter als technische Spielerei belächelt, heute ist die Drohne aus komplexen Rettungseinsätzen nicht mehr wegzudenken.
Text: Iris Milde // Fotos: Steffen Giersch
Die Welt von oben sehen. Mit Drohnen kann sich inzwischen jeder und jede diesen Traum erfüllen, ohne in ein Flugzeug steigen zu müssen. Martin Raschke kam 2013 auf die Drohne, als er im Dresdner Stadtteil Mickten als Fluthelfer Sandsäcke stapelte. Vor Ort wurde mit Hilfe einer Drohne aus der Luft festgestellt, in welchen
Bereichen der Deich mit Sandsäcken verstärkt werden musste. »Dort habe ich Blut geleckt«, sagt Martin
Raschke. Der Hobbyfotograf liebt es, Landschaftsaufnahmen aus der Luft zu machen: die schroffen Gipfel der Hohen Tatra in Polen, die unendlichen Dünenlandschaften der Negev-Wüste in Israel. Wo es ihm gefällt, breitet er die quadratische Landeplane aus, setzt die Drohne darauf und lässt sie mit der Fernbedienung summend in die Höhe steigen.
Der Rechtsanwalt hat eine eigene Kanzlei, arbeitet als Geschäftsführer für den Familienbund der Katholiken Sachsen und als Dozent der Deutschen Angestellten-Akademie. Nach Feierabend engagiert er sich für den Kreiselternrat und den Verein Gemeinschaftsschule in Sachsen. Doch den größten Teil seiner Freizeit engagiert sich der technikbegeisterte Katholik als stellvertretender Staffelleiter der Drohnenstaffel des ASB-Regionalverbands Dresden e.V.
Bewusstseinswandel
Etwa zwei Dutzend Einsätze fährt die 24 Mann und eine Frau starke Drohnenstaffel jedes Jahr. Wenn die Drohnenpiloten nicht im Einsatz sind, nehmen sie an Übungen der Feuerwehr oder Polizei teil, machen Weiterbildungen und besuchen Freiwillige Feuerwehren in ganz Sachsen, um aufzuklären, was die Drohnenstaffel macht und kann. Alles ehrenamtlich, die Technik wird aus Spenden finanziert. »Wir merken, dass wir mehr und mehr anerkannt sind unter den Kollegen«, freut sich Martin Raschke, »inzwischen kommen die Zugführer der einzelnen Feuerwehren bei Einsätzen ganz gezielt zu uns, weil sie wissen: Bei uns bekommen sie erst einmal ein Lagebild.«
»Wenn jemand Hilfe braucht, kann ich nicht vorbeigehen.«
Martin Raschke
Staffelleiter Stefan Riedel im Einsatzfahrzeug. Von dort kann er die Kameras der Drohne steuern und die Daten sofort an die Einsatzleitung schicken.
Martin Raschke zeigt einem Kollegen der Feuerwehr die Technik der Drohnenstaffel.
Mit der Wärmebildkamera der Drohne sind Glutnester gut zu erkennen.
Bild: ASB-Drohnenstaffel Dresden
Das »fliegende Auge der Feuerwehr«
Das »fliegende Auge der Feuerwehr« nennt Martin Raschke die Drohnenstaffel. Denn die Drohne liefert aus der Luft Perspektiven, die der Mensch vom Boden aus nicht haben kann. Wenn die Feuerwehrleute bei starker Rauchentwicklung die Flammen nicht sehen, können die Drohnenpiloten sie navigieren, damit sie den Wasserwerfer auf den Brandherd halten. »Das spart Zeit und Wasser, denn es ist ja Trinkwasser, das zum Löschen benutzt wird.« Martin Raschke zeigt auf seinem Laptop Bilder nach einem Brand in einem leerstehenden Industriegebäude. Scheinbar ist das Feuer gelöscht. Die Aufnahme der Wärmebildkamera aber zeigt: »Der rote Punkt ist ein Glutnest, versteckt unter eingestürzten Dachbalken. Nur mit Hilfe der Drohne konnte man das erkennen und gezielt löschen.«
An diesem Tag im Oktober stellt sich die Drohnenstaffel auf der FLORIAN vor, der Fachmesse für Feuerwehr, Zivil- und Katastrophenschutz. Auf dem Boden ist die Landeplane in den Farben des ASB ausgebreitet. Darauf stehen die beiden Drohnen der Staffel. Mit der kleinen Drohne können geübte Piloten auch in Gebäude hineinfliegen. Meist kommt aber die große Drohne zum Einsatz. Sie ist ausgerüstet mit zwei getrennt steuerbaren Kameras, einer Wärmebildkamera, einem Scheinwerfer und inzwischen auch mit einem Gassensor, den zwei Tüftler der Drohnenstaffel selbst entworfen haben. Einer von ihnen ist Jeffrey Hänsel: »Der Mehrgassensor erkennt zum Beispiel CO2, Brenngase und Partikel.« Dank dieser Daten kann die Drohnenstaffel etwa feststellen, wohin sich eine Gaswolke bewegt.
Mochmoderne Schaltzentrale: Marke Eigenbau
Auf der Messe dürfen Besucher das Einsatzfahrzeug der Drohnenstaffel von innen besichtigen. »Das Fahrzeug ist komplett von uns konstruiert und bundesweit einmalig«, erklärt Jeffrey Hänsel. Der gelernte Fluggerätemechaniker ist ebenso wie Martin Raschke seit Anfang an, seit 2020 mit im Team. In den vergangenen drei Jahren haben die Ehrenamtlichen den früheren Behindertentransportwagen zu einer hochmodernen Schaltzentrale umgerüstet. Auf dem Tisch stehen vier Monitore. Selbstentwickelte Software wertet die Daten sofort aus oder setzt einzelne Fotos zu einer großflächigen Karte zusammen. Jeffrey Hänsel öffnet ein lila-bläuliches Bild auf dem Bildschirm, das aus einzelnen Kacheln besteht. Es ist während des
Waldbrands in der Gohrischheide im vergangenen Juni entstanden.
Fahrzeug und Landeplane der
Drohnenstaffel.
Vor jedem Start wird ein Pre-Check durchgeführt: »Da müssen wir prüfen, ob alle Verschlüsse zu sind, ob alles richtig dran ist, ob alle Speicherkarten drin sind«,
erklärt Stefan Riedel. (rechts im Bild)
Ansicht der Welt von oben auf dem Controller.
»Wir können innerhalb von 20 Minuten ein Gebiet von einem Kilometer mal 300 Meter thermographisch erfassen. Hier sieht man, wie die Flammenfront verläuft.« Auch beim Waldbrand in der Sächsischen Schweiz im August 2022 hat die Drohnenstaffel so manche Nachtschicht eingelegt. Elf Tage haben sie sich jede Nacht abgewechselt. Pro Einsatz braucht es mindestens drei Leute: Einer fliegt die Drohne, der zweite steuert am
Monitor die Kameras und schickt die Bilder an die Einsatzleitung und der Dritte beobachtet den Luftraum. »Wir haben tagsüber in unseren Berufen gearbeitet und nachts waren wir in der Sächsischen Schweiz.
Diese Zeit fand ich sehr spannend«, schwärmt Martin Raschke. Wenn die Löschhubschrauber abends landeten, stieg die Drohne auf, um mit der Wärmebildkamera Glutnester aufzuspüren. »Manchmal
waren die Feuerwehrleute bisschen sauer auf uns, weil die Einsatzleitung aufgrund unserer Bilder entschieden hat, sie nachts um drei aus den Betten zu holen.«
»Wir haben tagsüber in unseren Berufen gearbeitet und nachts waren wir in der Sächsischen Schweiz."
Martin Raschke
Doch nicht nur zu Bränden werden die Lebensretter aus der Luft gerufen. Zur Personensuche, zur Rehkitzrettung oder auch zum Transport von Rettungsringen oder zur Kommunikation mit schwer
erreichbaren Verletzten werden Drohnen eingesetzt.
ASB-Drohnenstaffel Dresden
Die Staffel unterstützt mit ihren technisch hochausgestatteten Drohnen die Feuerwehr, Polizei oder andere Lebensretter. Drohnen liefern umfassende Lagebilder, können Wärmebilder aufnehmen, erkennen Gase, lokalisieren Vermisste und können kleinere Gegenstände transportieren.
Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Die technische Ausstattung wird aus Spenden finanziert.
https://www.asb-dresden-kamenz.de/angebote-fuer-sie/drohnenstaffel-asb-regionalverband-dresden-e-v