Ein Leuchten aus der Dunkelheit
Die Finsternis kennt der Maler Michael Podszun und auch den Zweifel, er wurde sein Lebensprinzip. Doch dann berührte ihn etwas in seiner Kunst. Vollkommen wie ein Kreis und warm wie ein Licht.
Text: Andreas Roth // Fotos: Panja Lange
Zwei Tage hat er an diesem Bild gearbeitet. Pinselstrich um Pinselstrich. Ein Kreis, die gleißende Mitte strahlt ins dunkle Blau. Jeder Strich für sich unbedeutsam, überlegt Michael Podszun vor seiner Staffelei. Unbedeutsam wie die einzelnen Alltage des Menschen. Wie die Wege der Ameisen draußen in seinem Garten. »Und doch setzt sich am Ende aus all dem ein ganzes Bild zusammen.«
Michael Podszun bewundert Ameisen.
In seinem Dresdner Atelier stehen viele Kreis-Bilder. In dem einen strahlt die Mitte in einem warmen Rot, in einem anderen scheint sie unsichtbar zu sein. »Das ist doch ein Gottesbild«, sagte eine Pfarrerin zu Michael Podszun. Er hatte das Thema gar nicht gesucht. Es ist zu ihm gekommen.
Eigentlich war er vor ihm geflohen. Als Michael Podszun 1953 geboren wurde, war sein Vater tot. Bei seinen Großeltern lernte er: Gott ist alles, du bist nichts. Er musste weg von diesem Bild. Er wurde ein suchender Mensch. Der Zweifel wurde ein Lebensprinzip. Er wurde Künstler.
Und so steht er – weißer Bart und mit herzlicher Gelassenheit in der Stimme – in seinem Atelier vor einem blauen Kreis und fragt sich: »Ich will da noch mehr Wärme hineinbringen – aber wie kann man das Licht einfangen?« Das Licht. Das sucht er auch, wie die Blumen in seinem Garten am Hang. Weil er das Dunkle kennt.
Als er seine erste Tochter verlor nach einem Verkehrsunfall und nach anderthalb Jahren Koma und Bewusstlosigkeit, da retteten ihn seine Hände aus Schmerz und Depression. Das Malen, das Formen mit Ton. Nicht das Denken. »In so einem schöpferischen Prozess geschieht immer ein Mysterium, vielleicht ist es eine Berührung mit etwas Heiligem. Und etwas Heilsamem.«
Michael Podszun wurde Kunsttherapeut. Er begleitete an der Seele erkrankte Menschen in einer Pulsnitzer Klinik und gibt bis heute Kurse im Ausdrucksmalen. »Manchmal erlebe ich dann im Malprozess auch bei anderen eine Berührung mit etwas Göttlichem – das ist ein wunderbarer Moment.« Aber ob man den festhalten kann?
»Du sollst dir kein Bildnis machen«, so steht es geschrieben in der Bibel. Michael Podszuns Ausstellung aber, die noch bis Ende Januar auf Einladung der Evangelischen Akademie Sachsen im Kreuzgang des Klosterhofes St. Afra Meißen zu sehen ist, heißt »Gottesbilder«. Doch auf seinen Bildern ist kein alter Mann mit weißem Bart zu sehen. Sondern ein Leuchten. Weiß wie der Mond oder rot wie die Sonne. Blendend oder warm.
»Vielleicht kann ein Bild ein Übergangsmedium sein zu einem liebevollen Gewahrwerden von mir selbst – oder eines liebevollen Gegenübers, eines liebevollen Gottes«, sagt Michael Podszun. »Das habe ich in meiner Kindheit nicht so gehört. Langsam nähere ich mich.«
Eines seiner blauen Gottesbilder hängt in einer Chemnitzer Begräbniskapelle. Eine alte Frau saß davor und sagte versunken: »Ich weiß, wo ich hingehen werde.« Ein Kreis. Rund und vollkommen. Ohne ein Ende. Eine Ewigkeit. Wie eine Umarmung.
Ausstellung im Klosterhof St. Afra Meißen
Michael Podszuns Ausstellung »Gottesbilder – der Zweifel darf das Licht nicht verdecken« ist im Kreuzgang des Klosterhofes St. Afra Meißen zu sehen. Eine Finissage findet am 23. Januar um 19.15 Uhr statt. Der Künstler leitet Kurse zum Ausdrucksmalen auch bei der Evangelischen Erwachsenenbildung Sachsen und in seinem Atelier.